Auch in manch älteren Studien finden wir oft aufschlussreiche Erkenntnisse zu Biofeedback. Ein Grund dafür warum es zu Biofeedback manchmal nur sehr alte Literatur gibt ist laut Martin & Rief (2009) übrigens, dass die Biofeedbacktherapie in den Vereinigten Staaten seit den 80er Jahren in Bezug auf ihre Wirksamkeit als hinreichend erforscht gilt.
Doch darum soll es heute nicht gehen, sondern um die Studie von Libo & Arnold (1983). Diese Studie beschäftigt sich mit Langzeitauswirkungen von Biofeedback-Therapie in Abhängigkeit davon ob ein bestimmtes Ziel-Kriterium in dieser Therapie erreicht wurde, in diesem Falle das frontale EMG-Spannungslevel oder die Handtemperatur.
Die Studie beginnt mit der Bemerkung, dass in vielen anderen Forschungsarbeiten nur die Anzahl der Sitzungen berichtet wird und nicht ob ein konkretes Ziel (z.B die Kontrolle über die Muskelspannung gemessen mit einem klaren Zielkriterium) auch tatsächlich erlernt wurde. Es wird eine andere Studie zitiert, in welcher ausgeführt wird, dass es wichtig ist, dass die physiologische Variable um die sich die Behandlung dreht erfolgreich beeinflusst wurde, das Lernen stattgefunden hat und dass Kriterien erreicht wurden. Ansonsten sei dies wie einem Medikament Wirkungslosigkeit zu bescheinigen, weil der Klient dieses nicht genommen hat.
Auch 2008 wurde dieser Kritikpunkt (sogar mit dem selben Vergleich) im damaligen Wirksamkeitsreview der Association for Applied Psychophysiology and Biofeedback von Yucha & Montgomery (2008) genannt (Notiz: das Review wurde mittlerweile aktualisiert, Informationen zur Wirksamkeit von Biofeedback und Neurofeedback finden Sie hier). Auch hier gaben die Autoren an, dass man ohne den Beweis, dass ein Klient seine physiologischen Reaktionen kontrollieren könne, nicht behaupten kann, dass dieser die gewünschte Behandlung erhalten hatte.
Methode
Die vorgestellte Studie analysierte nun retrospektiv den Zusammenhang zwischen dem Erreichen solcher Zielkriterien und dem Erfolg der Therapie aus einer langfristigen Perspektive. Ein spannender Aspekt der Studie war, dass zum Zeitpunkt als die Sitzungen stattfanden, weder der Klient noch der Therapeut über solche Zielkriterien informiert waren. Dies war auch gar nicht möglich, da diese erst im Nachhinein festgelegt wurden, was der Studie einen besonderen Doppelblind-Charakter ermöglicht.
Die Teilnehmer der Studie (58 Personen) hatten zwischen 1 und 5 Jahren vor dem Erhebungszeitpunkt eine individuelle Biofeedback-unterstützte Entspannungstherapie an einer Stressklinik absolviert. Sie hatten:
- die Therapie vor mehr als 6 Monaten beendet
- an mindestens 4 Sitzungen teilgenommen
- einige ausgewählte Erkrankungen (verschiedene Kopfschmerz-Arten, Schmerz, Angst und Bluthochdruck), welche gewählt wurden, da diese häufig mit Biofeedback behandelt werden.
- alle bei der Behandlung den selben Therapeuten
Neben anderen Entspannungstechniken wurde eben unter Anderem auch Biofeedback verwendet und zwar EMG-Biofeedback und Temperatur-Biofeedback Gemessen wurde der Erfolg nach der Therapie über einen Fragebogen den die Klienten beantworteten.
Die Zielkriterien
Die Kriterien zur Zielerreichung wurden nicht willkürlich festgelegt sondern auf Basis von Studien. Es mag kontraintuitiv erscheinen, aber es ist zumindest zum Teil nicht sinnvoll hier exakt auf diese Werte einzugehen, da diese beim EMG von vielen Faktoren abhängen (Muskel, exakte Platzierung der Elektroden, verwendetes System und Filtereinstellungen (siehe auch Martin und Rief, 2009). Bei der Temperatur ist dies schon leichter möglich, der Vollständigkeit halber seien aber die Werte genannt.
- EMG: 1,1 µV integral Average
- Temperatur: 95 Fahreinheit/35 Grad
Gewertet wurde der niedrigste (beim EMG) oder höchste (bei der Temperatur) Wert, den ein Klient in der Therapie erreicht hatte.
Teilnehmer der BFA können von uns eine Liste mit den uns bekannten Normwerten anfragen und die verwendeten Software-Vorlagen der auf der Ausbildung verwendeten Geräte, geben solche Werte auch in der Beschreibung an.
Ergebnisse
Zuerst zu den generellen Ergebnissen: 81% der Klienten gaben an Verbesserungen Ihrer Beschwerden erzielt zu haben (definiert als symptomfrei, deutliche oder moderate Verbesserungen), während 19% dies verneinten (geringe oder keine Verbesserung, gemischt oder verschlimmert). Diese Ergebnisse alleine sind ein guter Indikator für die Langzeitwirkung der Behandlung. Weder die Länge der Therapie, noch die Zeit die seit dem Ende der Therapie verstrichen war zeigte einen Zusammenhang mit dem Erfolg.
Nun aber zum Kern der Sache.
Erreichung des Zielkriteriums beim EMG
Von den 57% jener Klienten, welche das EMG-Zielkriterium erreicht hatten berichteten 93% von einer Verbesserung, während dies bei den 43% der Klienten, welche dieses Kriterium nicht erreicht hatten nur 65% angaben. Der Unterschied war signifikant.
80% der Klienten, welche angaben keine Verbesserung erzielt zu haben, hatten in der Therapie das Zielkriterium nicht erreicht!
Erreichung des Zielkriteriums beim Temperatur-Biofeedback
Von den etwas mehr als 46% der Klienten welche das Temperatur-Zielkriterium erreicht hatten berichteten 96% von einer Verbesserung, während dies bei ca. 53% den Klienten welche dieses Kriterium nicht erreicht hatten nur bei 76% der Fall war. Auch hier war der Unterschied signifikant.
Von den 8 Klienten welche keine Verbesserung angeben, hatten 88% nicht das Zielkriterium erreicht.
Gesamt zeigte sich, dass nur 7% der Klienten, welche das EMG-Kriterium erreicht hatten und 4% jener welche das Temperatur-Kriterium erreicht hatten keine Verbesserungen zeigten.
Alleine oder kombiniert?
Eine spannende Frage ist natürlich ob es notwendig war nur einen Parameter zu kontrollieren, oder ob beide notwendig waren um eine Verbesserung zu erzielen. 84% der Klienten absolvierten sowohl EMG- als auch Temperatur-Biofeedback. Es zeigte sich, dass es hinreichend war in nur einer der beiden Methoden das Zielkriterium zu erreichen (signifikant). 93% der Klienten welche ausschließlich das EMG-Kriterium erreichten verbesserten sich, beim alleinigen Erreichen des Temperatur-Kritieriums war dies bei 91% der Fall.
Es sei aber auch erwähnt, dass von den Klienten welche beide Kriterien erreichten 100% von Verbesserungen berichteten.
Hinweis der BFA: dies soll nicht bedeuten, dass wir damit von unserer Empfehlung eines multimodalen Angebotes abweichen, alleine schon um Klienten, welche mit einer Feedback-Modalität gar nicht zurechtkommen Alternativen zu bieten oder um zu eruieren welches Körpersystem am stärksten vom Stress betroffen ist.
Fazit
Es sei hier nochmals darauf hingewiesen, dass weder der Therapeut noch die Klienten über diese Kriterien Bescheid wussten, die Vorgabe war schlicht “je höher, desto besser” bei der Temperatur und “je niedriger, desto besser” beim EMG. Es ist also auszuschließen, dass irgendeine Form von “Erfolgsgefühl, das Ziel erreicht zu haben” Einfluss auf die Ergebnisse hatte.
Die Ergebnisse zeigen, dass es scheinbar einen Langzeit-Vorteil bei der Wirksamkeit von Biofeedback-Behandlungen gibt wenn gewisse Kriterien erreicht werden. Auch wenn sich viele Klienten ohne Erreichung dieses Ziels verbesserten, war der Unterschied doch signifikant. Die Autoren geben an, dass man bei Werten von 93% (EMG-Kriterium) und 96% (Temperatur-Kriterium) fast von einer Garantie für Verbesserung sprechen können. Auf der anderen Seite ist es spannend zu betrachten, dass von den Klienten, welche sich nicht verbessert hatten die große Mehrheit die Kriterien nicht erreicht werden konnten.
Diese Ergebnisse lassen die Autoren auch Studien “kritisieren”, welche gar nicht berichteten ob ein gewisses Kriterium erreicht wurde. Es erscheint Ihnen nicht ausreichend, Klienten einfach nur “Biofeedback machen zu lassen” ohne zu überprüfen ob diese ein gewisses Lernniveau erreicht hatten.
Wissenschaftlich korrekterweise (das geben auch die Autoren kann), kann man damit natürlich nicht beweisen, dass das TRAINIEREN von Klienten hin zu einem spezifischen Kriterium als eine Handlung des Therapeuten effektiv ist. Aber die indirekte Unterstützung für diese Annahme ist hoch und irgendwann muss sich die Interpretation von Forschung ja auch (gerade im Bereich von praktischen Implikationen) zu Schlussfolgerungen überwinden.
Was heißt das für Wissenschaft und Praxis?
Für die Praxis sind die Implikationen der Ergebnisse recht eindeutig. Klienten sollten die Therapie erst beenden, wenn Sie in der Lage sind Ihre Körperfunktionen tatsächlich zu kontrollieren und zwar bis hin zu einem vorher festgelegten Ausmaß. Die Umsetzung dieser Ergebnisse dürfte für den niedergelassenen Bereich leichter sein, als z.B für Institutionen in denen ein fixer Behandlungsplan vorgegeben ist, welcher oft auch (aus organisatorischen und finanziellen Gründen) nicht akut verändert werden kann. Hier ist die Zusammenarbeit mit niedergelassenen Spezialisten (wie Sie z.B in unserer Therapeuten-Datenbank zu finden sind) zentral um Klienten, welche während der Therapie die Ziele nicht erreichen, Möglichkeiten aufzuzeigen die Biofeedback-Behandlung fortzuführen.
Auch auf wissenschaftlicher Ebene bietet es sich an sich Studien, welche Biofeedback beispielsweise eine niedrige Wirksamkeit attestieren nochmals genau zu betrachten um festzustellen ob man überhaupt behaupten kann, dass Biofeedback erlernt wurde. Denn das Ziel ist ja wie gesagt, nicht nur den Klienten trainieren zu lassen (so wirksam sich dies auch gezeigt hat), sondern ihm auch eine Fähigkeit beizubringen, welche er dann ohne Biofeedackgeräte anwenden kann.
Quellen:
- Martin, A., & Rief, W. (2009). Wie wirksam ist Biofeedback. Eine therapeutische Methode. Bern: Huber.
- Libo, L. M., & Arnold, G. E. (1983). Does training to criterion influence improvement? A follow-up study of EMG and thermal biofeedback. Journal of behavioral medicine, 6(4), 397-404.
- Yucha, C., & Montgomery, D. (2008). Evidence-based practice in biofeedback and neurofeedback. Wheat Ridge, CO: AAPB.