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“Wo muss ich denn jetzt hin?” ist nicht nur eine Frage, welche Sie sich im Urlaub stellen könnten, häufig kommt diese Frage auch in der Biofeedback-Therapie vor. Schließlich dauern manche Einheiten gut 20 Minuten, da ist die Frage, ob man die ganze Zeit daneben sitzen sollte durchaus angebracht.

Eine Studie aus den USA hat sich schon vor längerer Zeit damit beschäftigt. Wir können uns die Ergebnisse dieser Studie nun ansehen und die akademische Erkenntnis dann in unseren praktischen Alltag einbetten (Verknüpfungen dieser Art und generell der Praxisbezug sind übrigens ein Kernbestandteil unserer Biofeedback-Ausbildung).

Zur Studie
Ziel der Studie war es zu erheben, ob die physische Anwesenheit des Versuchsleiters die Biofeedback-Leistung beeinflusste. Als Trainingsmodalität wurde das Beeinflussen der Temperatur gewählt. 53 Teilnehmer wurden untersucht und es zeigte sich, dass die Anwesenheit des Versuchsleiters die Leistung verschlechterte/verhinderte. Schon in früheren Studien gab es solche Ergebnisse beim Frontalis-EMG.

In der Studie selbst wurde als potentielles Erklärungsmodell die “Theorie der sozialen Erleichterung” genannt. Sinngemäß besagt diese, dass bei komplexen Aufgaben die Leistung sinkt, wenn andere Personen anwesend sind.

Auf die Praxis bezogen stellt sich für uns aber primär die Frage was wir mit diesen Erkenntnissen anfangen?

Interpretation und Implikationen
Wovon wir wohl mit Sicherheit ausgehen können, ist dass die Anwesenheit einer zweiten Person (eines Biofeedback-Therapeuten oder Trainers) zumindest neue Klienten stresst und Ihnen das Erlernen von Biofeedback erschwert. Auch intuitiv kann man sich das gut vorstellen. Wenn Ihnen jemand „Entspannen Sie sich“ sagen würde und Sie dann fortwährend offensichtlich anstarrt wird es Ihnen auch eher schwer fallen.

Die Theorie der sozialen Erleichterung würde postulieren, dass sich dieser Effekt umkehrt, sobald die Fähigkeit „Temperatur steuern“ erlernt wurde, sie wäre dann nämlich „leicht“ und würde durch die Anwesenheit anderer Personen gestärkt werden. In der Praxis zeigt sich allerdings, dass auch in späteren Sitzungen die Anwesenheit anderer Personen viele Klienten stresst (wenn auch wohl weniger, sobald man sich etwas vertraut ist). Während der Trainingseinheiten ist es daher vielleicht die bessere Lösung den Klienten umfassend zu instruieren, Vorgespräche zu führen, das Training selbst aber so durchzuführen, dass Sie nicht „anwesend“ sind.

Warum die Anführungszeichen? „Abwesend“ wurde in der Studie mit “nicht im Raum” erzeugt, hierbei gibt es aber mehrere potentielle Probleme. Das auffälligste ist wohl, dass viele Praxen nicht unzählige Räume haben, in die man gehen kann. Weiters ist zumindest Sichtkontakt während der Therapie zu empfehlen, also ein Beobachten des Klienten, um auf alles reagieren zu können (das plakativste Beispiel sind hier getriggerte Traumata durch Tiefenentspannung oder andere Situationen in denen der Therapeut eingreifen muss). Da es in vielen Settings nicht möglich oder sinnvoll sein wird, den Raum komplett zu verlassen ist und bleibt eine gute Anwender-Klient Beziehung ein zentraler Bestandteil der Arbeit mit Biofeedback um den durch die Anwesenheit erzeugten Stress zu senken. Solche Aspekte der Einfühlsamkeit und deren Auswirkung auf die Leistung wurden auch in der Studie angesprochen.

Höchstwahrscheinlich ist es auch gar nicht zwangsläufig notwendig auch wirklich den Raum zu verlassen, sondern darum das Gefühl von „für sich sein“ beim Klienten zu erzeugen. In Bezug auf die dann doch stattfindenden Anwesenheit ist es auch spannend zu wissen, dass wir aus der Praxis berichtet, bekommen dass einige Klienten bei gar keiner gefühlten Anwesenheit eines Therapeuten auch oft nicht gut mitarbeiten, daher ist wohl ein gewisses Maß an „ich soll hier gerade etwas tun“ durchaus relevant. Stress durch die Anwesenheit des Therapeuten kann sogar Vorteile haben. Einer der ersten Punkte, welche in einer Biofeedback-Therapie durchgeführt werden ist ja das Stress- und Erholungsprofil („Stresstest“), in dem wir prüfen, wie der Organismus des Klienten auf Stress reagiert. Hierbei kann man den Stress durch die Aufgaben verstärken.

Kurz zur Technik
Technisch scheint es relevant eine Lösung zu finden, in der nicht die direkte Anwesenheit des Therapeuten am Klientenbildschirm notwendig ist. Das am Seminar genutzte Biofeedback-System arbeitet hier z.B. mit einer 2-Bildschirmlösung, bei der der Therapeut von einem weiter weg stehenden PC aus einen externen Klientenbildschirm steuern kann. Sitzungsvorlagen laufen hier auch meist selbstständig ab, sodass der Therapeut nicht aktiv „weiterklicken“ muss, sondern die Therapie flüssig weitergeht.

Fazit
Die Anwesenheit anderer Personen, wie des Therapeuten, scheint vielen Klienten die Entspannung zu erschweren. Trotzdem müssen Sie nun nicht nach dem Starten fluchtartig den Raum verlassen, es geht lediglich darum ein Setting zu schaffen, in dem dem Klienten die Entspannung nicht unmöglich gemacht wird.

Erneut möchte ich auch zu Ende dieses Artikels nochmals darauf hinweisen, dass keine der genannten Überlegungen und kein Ergebnis in irgendeiner Form darauf schließen lassen sollte die Bedeutung des Biofeedback-Anwenders zu unterschätzen. Wie im Artikel Biofeedback und der Therapeut beschrieben, ist dem aber auf keinen Fall so, selbst wenn Sie nicht im Blickfeld des Klienten sind nehmen Sie eine entscheidende Rolle ein Aufklärung, Hausübungen geben, Situation und Individuum berücksichtigen…). Der Fußball-Trainer läuft schließlich auch nicht neben den Spielern her und ist trotzdem zentral für den Erfolg.

 

Besprochene Studie: Bregman, N. J., & McAllister, H. A. (1983). Voluntary control of skin temperature: Role of experimenter presence versus absence. Biofeedback and self-regulation, 8(4), 543-546.